Abmelden
Im Browser ansehen
Bericht vom Gericht

Eine lange Schlange hatte sich am Mittwoch vorm Eingangsportal des Kammer­gerichts in Berlin Schöneberg gebildet. Über 80 Aktive, Unterstützer*innen und Presse­vertreter*innen sind zur Verhandlung vor dem Berliner Verfassungs­gericht gekommen. Die inhaltliche Diskussion mit den neun Richter*innen war bereits in vollem Gang, als endlich auch die letzten Interes­sierten die Sicherheits­kontrolle passiert hatten und der Verhandlung folgen konnten.

Einleitend hatten zwei Vertrauenspersonen des Verkehrsentscheids, Wilma und Ludwig (mittig und rechts im Bild) die Ziele unserer Initiative vorgetragen. Sie erörterten, wieso das Paradigma der auto­gerechten Stadt ein Irrweg vom vorigen Jahrhundert ist: „Je höher die Bevöl­kerungs­dichte, desto mehr über­wiegen die Nachteile des motorisierten Individual­verkehrs gegenüber dessen Nutzen. Es ergibt also aus gesell­schaftlicher Perspektive Sinn, vor allem im hoch verdichteten urbanen Raum regelnd einzugreifen. Deshalb setzen wir uns für eine autoarme Innenstadt ein.“

Wilma und Ludwig lenkten den Blick auch auf internationale Vorbilder und betonten, dass Berlin im Wettbewerb lebenswerter Metropolen durch seine Autobelastung einen echten Nachteil hat. Paris als Vorreiter der „Weltstädte der Zukunft“ hat dagegen gerade erst beschlossen, dass 500 Straßen in den nächsten Jahren autofrei umgestaltet werden sollen.

In der juristischen Debatte zeigten die Vertreter der Innen- und der Verkehrs­verwaltung des Senats wenig Bereitschaft, den öffentlichen Raum vom Menschen und nicht vom Auto her zu denken. Dafür wurden sie bisweilen ins Kreuz­verhör durch die Richter*innen genommen. Auch bei der Abwägungs­frage der Angemes­senheit unseres Gesetzes hatten die Senats­vertreter nichts Substanzielles in die Waagschale zu legen, um ihre ablehnende Position zu begründen. Sie konnten nicht schlüssig erklären, wieso die grundsätzliche Entscheidungs­befugnis über die Nutzung des öffentlichen Straßenraums nicht dem direkt­demokra­tischen Gesetzgeber zugebilligt werden dürfe. Unser Anwalt und Mitstreiter Philipp Schulte (links im Foto oben) stellte klar, dass in der Verfassung natürlich kein grundrechtlicher Anspruch auf Autofahren fest­geschrieben ist. Die vorhandene Nutzungs­möglich­keit einer Straße für das Auto ist nicht natur­gegeben oder unveränderlich. Diesen Rechts­grundsatz hat das Bundes­verfassungs­gericht einmal in der Entscheidung 1 BvR 198/08 so zusammengefasst: „Im Übrigen muss sich jedoch der Benutzer mit dem abfinden, was und wie lange es geboten wird.“

Wer, wenn nicht die Berliner*innen selbst, soll das entscheiden?

Auch in der Frage der Landes- versus Bundeszuständigkeit gerieten die Senatsvertreter ins Schwimmen. Sie versuchten zu argumentieren, dass Ziele wie die Verkehrssicherheit nicht per Straßenrecht auf Landesebene verfolgt werden dürften, da dies das Straßenverkehrsrecht auf Bundesebene ja schon tut. Dieser Versuch, dem Land die Zuständigkeit abzusprechen und damit unser Gesetzesvorhaben zu Fall zu bringen, schien auch das Gericht nicht zu überzeugen. „Butter bei die Fische" verlangte eine Richterin und fragte den Senatsvertreter, wem denn nach seiner Auffassung die Kompetenz zustehen solle, die Widmung von Landesstraßen festzulegen, wenn nicht dem Land? Eine überzeugende Antwort musste auch hier ausbleiben.

Die Zwecke unseres Gesetzes sind kein „nice-to-have": Eine flächengerechte, gesunde, sichere sowie klima- und umweltfreundliche Nutzung der öffentlichen Straßen in Berlin sind allesamt Ziele von Verfassungsrang, wie die Vorsitzende Richterin Ludgera Selting bestätigte. Das Gesetz soll nicht weniger als die sozial-ökologische Verkehrswende in unserer Stadt verbindlich einleiten.

240.000 Unterschriften sind nötig, um das Gesetz zur Abstimmung zu bringen

Wir gehen weiterhin fest davon aus, dass unser Gesetz Bestand hat. „Bei der juristischen Prüfung kamen keine unerwarteten Aspekte auf“, erklärte unser Anwalt gegenüber der Presse nach dem Ende der drei­einhalb­stündigen Verhandlung. Innerhalb von drei Monaten sollen die Richter*innen nun ihr Urteil fällen. Bekommen wir Recht, können wir schon bald mit der zweiten Unterschriften-Sammelphase beginnen, damit wir Berliner*innen über die Zukunft unserer Straßen und das Leben in unserer Stadt entscheiden können.

 
Setze mit uns auf Erfolg vor Gericht!

In der Zwischenzeit müssen wir den Druck auf die Politik erhöhen und eine breite Öffent­lichkeit erreichen. Dafür brauchen wir weiterhin finanzielle Unter­stützung!

Sei dabei, wenn wir Rechts­geschichte schreiben! Schließe dich jetzt den neuen Förder­mitgliedern an, die zuversichtlich auf unseren Gerichtserfolg setzen. Schon ab 10€ pro Monat bist du dabei.

jetzt Fördermitglied werden!

Was, wenn das Gericht das Gesetz doch ablehnt? Förder­mitglied­schafts­anträge, die im Zeitraum zwischen März 2025 und der Urteils­verkün­dung über unser Web­formular eingehen, werden nur dann wirksam und dein Mitglied­schafts­beitrag wird nur dann von deinem Konto abgebucht, wenn wir erfolgreich aus dem Prozess hervor­gehen.

Unsere Datenschutzerklärung findest Du auf unserer Website. Dort kannst Du auch alle Details zu unserem Gesetz nachlesen und den vollständigen Text unseres Gesetz­entwurfs samt Begründung als PDF herunter­laden. Außerdem haben wir dort auch sämtliche Schrift­sätze aus dem Verfahren hinterlegt.

 Facebook  Telegram  Instagram

Copyright 2025 Berlin autofrei e. V.
Gneisenaustraße 63, 10961 Berlin
volksentscheid-berlin-autofrei.de